Mahlzeit, NRW! Von Currywurst und Sonntagsbraten.

WDR 2014, 45 Minuten

Autor: Ulrike Brincker, Lothar Schröder, Kamera: Florian Brückner, Dierk Fechner, Redaktion: Christiane Mausbach

Nach dem Krieg war man zunächst über alles froh, auf das man nicht nur beißen konnte, sondern auch noch den Magen füllte. Improvisation – aus dem Wenigen, was man hatte, noch etwas zaubern hieß das Motto der Stunde. Und wer – auf welche Art und Weise auch immer – eine Zwiebel zur Steckrübe ergattert hatte, war ein König.

Hausfrauen und Feinschmecker aus verschiedenen Regionen und Generationen lassen das historische Archivmaterial durch persönliche Erlebnisse lebendig werden: Warum ist die Steckrübe so verhasst und seit wann krabbeln Käse- und Mettigel über kalte Buffets?

Neben der schweren Kost, die von der Hausfrau persönlich zubereitet wurde, entwickelte sich in den 60er Jahren die schnelle Küche: Fertiggerichte. Essen aus der Dose und Tiefkühlgerichte sollten der Frau im Hause die Arbeit erleichtern. Denn mit der Emanzipation der Frau verließen die Mütter den Herd und wurden berufstätig. Trotzdem hatte sie das Essen auf den Tisch zu bringen.

Mit der neuen Imbiss- und Fastfoodkultur ist das Essen permanent verfügbar. Im Ruhrgebiet erlangt „Curry Heini“ dank seiner legendären Currysauce Kultstatus und in Köln eröffnete Mitte der 70er Jahre der erste Mc Donald`s.

Aber alles, was an Pfunden drauf kommt, muss auch wieder runter. Anfang der 70er schwappt die Trimmwelle durch Deutschland. Knappe Mode, kurze Röcke verlangen nach sportlichen Körpern, doch nur 16% der Deutschen treiben regelmäßig Sport. In Münster zum Beispiel eröffnet der erste deutsche „Trimmpfad“ und die Zeitschriften überschlagen sich zudem mit Diätvorschlägen.

In Siegburg startet Bernd Drohsin eine einmalige Karriere vom Punk zu Deutschlands größtem Tofuproduzenten. Mit jedem BSE-Rind, Gammelfleischdöner und Lasagnepferd bekommt er mehr Kunden. 4000 Tonnen produziert er inzwischen pro Jahr.

Essen ist nun eine Kopfsache: Bioprodukte, fair gehandelter Kaffee, Slowfood, regionales Gemüse ohne Transportwege. Jeder Einkauf stellt den Konsumenten vor Entscheidungen, Essen gegen das schlechte Gewissen. Essen hat auf einmal auch mit Moral zu tun.

Und Omas Rezeptbücher sind die letzten Zeugnisse einer vermeintlich guten alten Welt.

Heute, knapp 70 Jahre nach Kriegsende, scheinen sich viele kulinarische Moden überlebt zu haben. Die Steckrübe feiert ihr Revival, Fleisch landet seltener auf den Tellern und wer sein Gemüse aus dem heimischen Garten beziehen kann, ist klar im Vorteil. Einfache klassische Gerichte wie bei Muttern sind wieder gefragt. Ein Rollback zur regionalen Küche. Nach Jahren der mediterranen, asiatischen, türkischen .-Küche besinnen sich die Nordrhein-Westfalen auf ihre Pickert, Puckert, Potthast, Stielmus, Töttchen und Sauerbraten-Küche.

 

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